Kontrolle durch Atmung

Wie bekommst du die Kontrolle über deine Atmung zurück?

Das Herz ist wohl der wichtigste Muskel, bzw. das wichtigste Organ im menschlichen Körper. Doch welches Organ, bzw. welcher Muskel folgt darauf? Die Niere, die Lunge oder vielleicht die Leber? Keines dieser Drei! Oft wird vergessen, dass es einen Muskel gibt, der uns funktionell sowie ökonomisch richtig Atmen lässt und dadurch viele weitere positive Auswirkungen auf uns hat. Die Rede ist vom Zwerchfell.

Das Zwerchfell lässt uns etwa 20000 Mal pro Tag unsere Lungen mit Sauerstoff füllen, um damit unseren gesamten Körper mit Energie zu versorgen. Und wie macht er das?

Sauerstoff wird zur „Verbrennung“ der Nahrungsmittel benötigt. Der Mensch isst, um den Körper mit Energie zu versorgen. Bei der „Verbrennung“ von Fetten, Proteinen und Kohlehydraten wird aber Sauerstoff benötigt. Z. B. lautet die chemische Reaktionsgleichung für die Oxidation von Glukose (Zucker):

C6H12O6 + 6 O2 → 6 CO2 + 6 H2O + 2826 kJ.

 Soweit konnte sich das der Ein oder Andere denken. Jedoch hat die richtige Atmung einen großen Einfluss auf unsere Stabilität im Rumpf, unsere Herzfrequenz und unsere Emotionen.

Die physiologischen und anatomischen Zusammenhänge des Zwerchfells sind sehr interessant. Es arbeitet scheinbar komplett selbstständig und kann ebenso wie andere Muskeln und Organe adaptieren. Die positiven Auswirkungen auf Körper und Geist machen sich durch eine verbesserte Rumpfstabilität und optimierter Organfunktion sowie einer besseren emotionalen Stimmung bemerkbar. Und das alles nur durch korrektes Ein- und Ausatmen?

 

Der Einfluss des Zwerchfells auf die Organe und deren Funktion

Wenn du eine physiologisch korrekte Atmung beherrschst, bzw. die richtigen Strukturen zur richtigen Zeit arbeiten, wird sich dein Zwerchfell bei jeder Kontraktion wie ein Fallschirm nach unten bewegen. Dadurch werden deine Organe im Bauch mechanisch stimuliert und das Zwerchfell massiert diese, dadurch wird deren Funktion verbessert und die Arbeit der Faszien positiv beeinflusst.

Zwei Dinge die bei einer korrekten Atmung auf mechanischer Ebene geschehen:

  1. Durch Herabsenken des Zwerchfells und die gleichzeitige Ausdehnung in alle Richtungen des Bauchraums, wird ebenso die Beckenbodenmuskulatur nach unten bewegt und somit exzentrisch (in einer negativen Bewegung, auch bekannt aus dem Negativ Training im eGym) belastet, um dann folgend in der Ausatmung reflexartig zu kontrahieren.
  2. Durch die Abwärtsbewegung wird ein Unterdruck in den Lungen verursacht, der die Ausbreitung des Rippenkäfigs ermöglicht. Damit wir bei einer maximalen Einatmung der obere und untere Teil der Lungenflügel komplett gefüllt. Bei Belastung wirkt das durch den optimierten Gasaustausch leistungsfördernd.

 

Die Verbindung zwischen den 3 wichtigsten Organen in unserem Körper

Jeder Muskel hat einen Ansatz und einen Ursprung. Sieht man sich einmal genau die Ansatzpunkte des Zwerchfells an, fällt einem auf, dass das Zwerchfell sich die Zentralsehne mit unserem Herzen teilt. Der wichtigste Muskel ist also mit dem zweitwichtigsten Muskel über eine Sehne verbunden, was durchaus reale Auswirkungen hat. Bei guter Zwerchfellfunktion, bzw. jedem korrekten Atemzyklus wird dein Herz also physiologisch positiv beeinflusst. Und wie funktioniert das?

Beim Einatmen wird ein größerer mechanischer Druck auf dein Herz erzeugt. Gleichzeit wird im Zusammenspiel mit und über das Gehirn der sympathische Teil des Nervensystems aktiviert, was zu einer Erhöhung der Herzfrequenz führt. Durch eine korrekte Ausatmung wird darauf die Herzfrequenz wieder gesenkt. Dadurch wird auch deutlich wie wichtig ein Körper in Balance, bzw. eine ausgeglichene Atmung ist.

Sicher stellst du dir jetzt die Frage, “funktioniert meine Atmung überhaupt?“ Es gibt glücklicherweise eine simple Methode um dies zu messen. Besitzt du eine Pulsuhr, die dir in jeder Sekunde anzeigt, wie hoch dein Puls ist? Perfekt! Dann hast du schon alles, was du brauchst! Achte einfach auf deine Herzfrequenz beim Ein- und Ausatmen. Du weißt nun, dass bei der Einatmung deine Herzfrequenz hoch geht und bei der Ausatmung sich senkt. Atme tief ein und aus und achte dabei auf deine Herzfrequenz. Ist deine Zwerchfellfunktion gestört, wird sich deine Herzfrequenz während den 2 Phasen nicht bedeutsam ändern, da hier der Zusammenhang gestört ist. Ändert sich deine Herzfrequenz nicht, arbeite an deiner Atmung.

 

Der Einfluss auf die Rumpfmuskulatur

Ein weiterer faszinierender Aspekt, ist der Einfluss auf die Rumpfmuskulatur. Zusammen mit den tiefenstabilisierenden Muskeln des Rumpfes erzeugt das Zwerchfell einen inneren Druck auf den Rumpf, welcher die Wirbelsäule und die Organe in einer Bewegung stabilisiert.

Das Ganze hat sogar einen Namen und nennt sich intrinsisches Stabilisationssystem. Dieses beschreibt die wichtigsten Muskeln für diese Funktion, welche alle an der Fasziathoracolumbalis, einer Faszie, die wie ein Karo auf dem unteren Rücken liegt und die Muskeln dort umschließt, ansetzen. Zu diesen gehören die im Volksmund genannten Muskeln: querverlaufende Bauchmuskeln („M. transversus abdominis“), viel gefiederte Muskeln („Mm. multifidii“), das Zwerchfell und die Beckenbodenmuskulatur.

Dieses System sorgt für eine korrekte Organisation und beeinflusst somit auch die Kraftübertragung von Ober- und Unterkörper erheblich. Dies hat nicht nur Folgen für unsere Beweglichkeit oder Kraftleistungen, sondern wirkt sich vor Allem auf unsere Körperhaltung aus.

Falls die neuronale Ansteuerung gestört ist, bzw. das Signal beim Zwerchfell zur Atmung nicht richtig ankommt, tritt oftmals Folgendes ein: Das Zwerchfell wird neuronal hochreguliert und entwickelt einen hohen Tonus, bzw. verspannt sich zunehmend. Das Gleiche gilt auch vice versa. Eine ungenügende Benutzung oder übermäßiges Luftanhalten, selbst bei Belastung mit leichtem Wiederstand, führt zu einer Überaktivierung des Zwerchfells und folgend zu einer Unteraktivierung des intrinsischen Stabilisierungssytems. Diese Fehler in der Funktion sollten gezielt getestet und gelöst, bzw. korrigiert werden, um die Verspannungsmuster wieder in Balance zu bringen.

 

Den „Zwerchfell Release“ und richtiges Atmen lernen

Was bringt dir alles Wissen der Welt, wenn du es nicht nutzt? Logischerweise kommen wir gleich zu einer praktischen Anleitung, bei der wir dir zeigen, wie du richtig tief Atmen lernst. Dabei „releasen“ wir dein Zwerchfell, bzw. sorgen für ein ausgeglichenes Verhältnis von Spannung sowie Entspannung und sorgen für Balance deines Stabilisierungssystems.

Befolge dafür folgende Schritte:

  1. Begebe dich in Rückenlage.
  2. Starte mit einem tiefen Atemzug und fülle deinen Rumpf nach links, rechts und unten mit Luft. Stelle dir dafür den Fallschirm vor, der sich in alle drei Richtungen füllt.
  3. Darauf versuche besonders lange auszuatmen, ohne dabei den Bauch BEWUSST anzuspannen. Als kleiner Tipp: Konzentriere dich dafür nur auf die Ausatmung, nicht auf Anspannung jeglicher Art. Du kannst das einfach kontrollieren, indem du dir mit deinen Händen behutsam auf die Bauchmuskeln drückst.

  4. Wiederhole den Zyklus von Ein- und Ausatmung 8-10 Mal

 

Fazit

Nun solltest du über das Zwerchfell, das zweit wichtigste Organ und dessen Funktionen in deinem Körper bestens informiert sein. Es verpflegt deine Organe im Bauchraum sowie deren Faszien mit benötigten Massagen und hat einen großen Einfluss auf dein Herz sowie dessen Herzfrequenz. Dadurch wird dein Nervensystem in Balance gehalten, was sich wiederum auf deine Stimmung, deine Leistungsfähigkeit auswirkt. Zudem sorgt es durch seine Funktion für Stabilität auf muskuloskelettaler Ebene für Stabilisation, was ebenso präventiv vor Abnutzungen schützen kann.

Nach diesem Blog-Artikel sollte dir klar sein, dass dein Zwerchfell, mehr als einfach nur ein Atemmuskel ist und dass eine ausgeglichene und funktionelle Atmung, mehr als „nur“ Sauerstofftransport im Blut bewirkt