Stress im Alltag – wie er uns beeinflusst und was wir dagegen tun können

Wer kennt es nicht, der Tag ist vollgestopft mit Terminen und man hetzt nur noch von einem zum anderen. Dabei ist es egal, ob es Termine geschäftlicher oder privater Natur sind, es bleibt den Tag über kaum Zeit dem Stress zu entgehen. Erst am Abend kommen wir vielleicht dazu, die Beine hochzulegen und abzuschalten. Oder liegt dann doch noch das Handy in der Nähe und man geht gedanklich nochmal den Tag durch oder denkt schon an die Aufgaben, die am nächsten Tag auf einen zukommen?

Oft ist man sich diesem stressigen Alltag kaum bewusst, bis der Körper plötzlich die Notbremse zieht. Das kann eine harmlose Müdigkeit sein, es kann aber auch ganz anders laufen und in einem Schlaganfall, Burn-Out oder in einer Depression enden. Natürlich sind dies extreme Zeichen des Körpers, doch sind wir uns oft nicht im Klaren darüber, wie nah wir an einer solchen Reaktion vielleicht bereits schon dran sind. Deshalb sollten uns bereits die kleinen, vermeintlich harmlosen Zeichen aufhorchen lassen, denn sie sind nur die Vorboten größerer Reaktionen und der Versuch des Körpers, uns einen Hilfeschrei zuzurufen. Anzeichen dafür, dass dringend etwas für die Entspannung und gegen den Stress getan werden sollte, sind unter anderem eine übermäßige Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, vermeintlich unerklärbare Schwächeanfälle, Verdauungsprobleme, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen, Tinnitus und Rückenschmerzen.

 

Was passiert im Körper in stressigen Situationen?

Um zu verstehen, wie sich Stress auf unseren Körper auswirkt, musst man wissen, dass es zwei Gegenspieler in unserem Nervensystem gibt: den Sympathikus und den Parasympathikus.

Diese zwei Systeme arbeiten parallel, haben aber gegensätzliche Aufgaben. In Stresssituationen wird überwiegend der Sympathikus angesprochen und richtet unser System auf eine „Kampfsituation“ aus. Das ist noch ein Erbe aus früheren Zeiten, in denen wir in Gefahrensituationen blitzschnell kampf- oder fluchtbereit sein mussten.  Heute sind wir solchen Situationen zum Glück nicht mehr ausgesetzt, unser Nervensystem arbeitet allerdings trotzdem noch genauso! Steht Stress an springt also unser Sympathikus an und sorgt unter anderem für eine erhöhte Aufmerksamkeit, erhöhten Herzschlag, erweiterte Gefäße, erhöhten Muskeltonus, vermehrte Schweißbildung und erweiterte Bronchien. Im Gegensatz dazu wird die Verdauung gedrosselt, der Sexualtrieb herabgesetzt und das Hungergefühl gemindert. Für kurzfristige Gefahrensituationen ist das eine geniale Erfindung der Natur: Dem Körper wird kurzfristig alle Energie des Körpers bereitgestellt während andere Mechanismen, die in dieser Stresssituation nur unnötig belasten, ausgeschaltet oder herabgesetzt werden.

Jetzt stelle dir aber vor, deine Stresssituation ist nicht nach einigen Minuten vorbei, sondern dein Körper ist dauerhaft, den ganzen Tag über in dieser Alarmbereitschaft. So ist es ja meist leider in unserem modernen Alltag. Das Handy liegt immer griffbereit, wir sind immer und überall erreichbar und schalten somit nie ganz ab, im Hinterkopf sind die Gedanken immer am Kreisen, der Körper immer halb in Alarmbereitschaft. Dass das kein gutes Ende nehmen kann, sollte klar sein.

Deshalb ist es ungemein wichtig, dass man sich Techniken und Methoden zurechtlegt, mit denen der Körper in eine Entspannungs- und Ruhephase zurückgeführt werden kann. In diesen Momenten der Ruhe und Entspannung kann dann der Gegenspieler zum Sympathikus aktiv werden, der Parasympathikus. Dieses System sorgt nun dafür, dass der Herzschlag wieder gleichmäßig und ruhig wird, die Verdauung kommt in Schwung und arbeitet wieder auf Hochtouren, der Fokus liegt beim eigenen Körper. Stresshormone werden abgebaut und der Körper kann begreifen, dass keine Gefahr besteht.

Ein ausgeglichenes Nervensystem ist also das A und O für deine Gesundheit und du solltest diesem Gleichgewicht genau so viel Aufmerksamkeit schenken, wie deinem Training im Studio.

 

Körperliche Auswirkungen

Gestresste Menschen erkennen oftmals gar nicht, dass sie gestresst sind. Doch das ist die Bedingung dafür, dass man etwas ändern kann. Meist wird eher über körperliche oder seelische Probleme geklagt und nicht erkannt, dass diese in direktem Zusammenhang mit dem eigenen Stresslevel stehen.

Symptome, die uns Trainer/Innen häufig bei unseren Mitgliedern im Studio-Alltag begegnen, sind zum Beispiel Rücken- und Nackenschmerzen (erinnere dich an die Aufgaben des Sympathikus, er erhöht den Muskeltonus!), generelle Unruhe (abschließende Entspannungsübungen im Kurs oder ruhige Übungen auf der Trainingsfläche werden als unangenehm empfunden), Kreislaufprobleme, Berichte über Verdauungsprobleme und Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen (heute eher unter dem Begriff „Burn-Out“ zusammengefasst). Dies ist nur ein kleiner Auszug aus den häufigsten Symptomen und vielleicht hast du dich bei dem ein oder anderen sogar selbst wiedererkannt. Sollte das der Fall sein, dann solltest du dringend Maßnahmen ergreifen, die dein Stresslevel reduzieren! Mehr zu möglichen Maßnahmen wird im nächsten Abschnitt erläutert.

Zusätzlich zu diesen direkt durch das Nervensystem ausgelösten Symptomen kommt noch hinzu, dass wir uns bei Stress gerne klein machen und „verkriechen“; eine ganz normale Reaktion, wenn wir uns selbst schützen möchten und unsicher sind. Das verstärkt jedoch wiederum unsere schlechte Körperhaltung, die wir uns durch den Büroalltag oder andere einseitige Belastungen eh schon „antrainiert“ haben.

Im Studio arbeitest du nun fleißig daran, dieser Körperhaltung entgegenzuwirken. Im Oberkörper wird an der aufrechten Haltung gearbeitet, die geplagte Gesäß- und Hüftbeugemuskulatur wird gestärkt bzw. gedehnt und die Rumpfmuskulatur gekräftigt. Wenn nun aber trotz all der körperlichen Mühen die innere Bereitschaft und Einstellung nicht stimmen, weil das Stresslevel hoch ist und der Körper sich (unbewusst) klein macht, kann ich noch so viel Mühe in mein Training stecken, es wird nicht oder nur minimal fruchten.

Um angemessen auf einen Trainingsreiz reagieren zu können, muss der Körper auch Phasen der Ruhe und Entspannung kennen! Nur so ist er bereit und überhaupt in der Lage dazu, Muskulatur auf- und Fettmasse abzubauen.

 

Methoden zur Entspannung

Entspannungsmethoden gibt es viele und schon mit wenigen Minuten kann man überall mit einfachen Übungen etwas für die Entspannung tun und somit das Allgemeinbefinden ungemein verbessern. Generell lassen sich die Entspannungsmethoden in zwei Lager einteilen: Entspannung in Bewegung und in Ruhe.

Wenn es dir also unangenehm ist, in völliger Ruhe im Liegen zu entspannen, dann probiere doch eine der Methoden in Bewegung aus. Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile und da jeder Mensch anders tickt, funktioniert Methode A für den einen wunderbar, für den anderen vielleicht überhaupt nicht. Da muss jeder seine eigenen Erfahrungen machen und rausfinden, welche Methode am besten funktioniert.

Hier einige Methoden im Überblick:

Yoga

Im Yoga gibt es hunderte verschiedene Stile, mal körperlich betont und in Bewegung, mal eher auf Geist und Seele abzielend und somit eher statisch. Jedoch gehört immer eine Bewegungsabfolge zu einer Yogaeinheit, sodass Yoga zur Entspannung in Bewegung zählt. Wer Yoga als Entspannungsübung nutzen möchte, muss sich also erstmal eine passende Richtung suchen und einige Einheiten ausprobieren, um den passenden Mix aus Bewegung und Entspannung zu finden.

 

Qi Gong

Auch Qi Gong gehört zur Entspannung in Bewegung und arbeitet mit Bewegungsabfolgen kombiniert mit Atemtechniken und der Konzentration auf den eigenen Körper. Qi Gong stammt aus dem asiatischen Raum und ist dort so selbstverständlich im öffentlichen Raum zu sehen, wie bei uns ein Jogger oder Radfahrer. So ist es dort keinesfalls befremdlich, wenn ein an der Bushaltestelle Wartender die Zeit nutzt, um ein paar seiner Qi Gong Übungen durchzuführen.

 

Körperreise

Bei der Körperreise liegt man entspannt auf einer Matte, die Augen sind geschlossen und man lässt sich entweder von einem Trainer oder über ein Audiogerät angeleitet auf eine Reise durch den eigenen Körper führen. Dabei lernt man, den Fokus wieder auf sich zu lenken und nachzuspüren, wie man sich fühlt und wahrnimmt.

 

Feldenkrais

Die Feldenkrais-Methode (nach ihrem Begründer Moshé Feldenkrais benannt) befasst sich mit der Schulung der kinästhetischen und propriozeptiven Selbstwahrnehmung, um grundlegende menschliche Funktionen zu verbessern und Schmerzen zu reduzieren. Es wird angenommen, dass diese Selbstwahrnehmung zu leichteren und angenehmeren Bewegungen im Alltag führt und somit das Stressniveau senkt.

 

Fantasiereise

Die Fantasiereise gestaltet sich ganz ähnlich wie die Körperreise und man liegt wieder entspannt auf einer Matte. Der Trainer leitet die Teilnehmer nun durch eine Reise in die Fantasie, auf der es an ganz unterschiedliche Orte gehen kann. Das können reale Orte sein, wie ein schöner Strand oder eine Berglandschaft, aber auch Fantasiewelten wie das Elfenland oder ein Zauberwald. Fantasiereisen gibt es auch im Internet viele kostenlos zur Verfügung.

 

Progressive Muskelrelaxation

Die Methode der progressiven Muskelrelaxation macht sich die Funktion des Nervensystems zunutze. Vielleicht erinnerst du dich daran, dass in Stresssituationen unser vegetatives Nervensystem dafür sorgt, dass unter anderem der Tonus unserer Muskulatur deutlich höher ist, die Muskulatur verspannt also eher. Bei dieser Methode wird nun eine Körperregion nach der anderen ganz bewusst fest angespannt, um anschließend mit der Ausatmung ebenso bewusst wieder locker zu lassen. Durch diese muskuläre Entspannung wird nun auch das Nervensystem angeregt, mit Entspannung zu reagieren.

 

Autogenes Training

Das autogene Training wurde von Johannes Heinrich Schultz aus der Hypnose heraus entwickelt und soll den Trainierenden durch unterschiedliche Übungen zu mehr Selbstwahrnehmung und Entspannung führen. Das Training soll eigentlich von innen heraus ohne äußere Unterstützung ablaufen, jedoch wird vor allem zu Anfang durch einen Trainer oder Tonträger von außen geführt und angeleitet, bis der Trainierende genug Übung hat und eigenständig weiter trainieren kann.

 

Fazit

Der moderne Alltag lässt während des Tages kaum Zeit einmal zur Ruhe zu kommen und zu entspannen. Der Mensch ist durch den technischen Fortschritt dauernd und überall erreichbar, erwartet das auch von anderen, hat den ganzen Tag verplant und lässt kaum noch etwas einfach mal auf sich zukommen. Der Körper ist dadurch ständig in Alarmbereitschaft und das Nervensystem stellt den Körper auf „Flucht oder Kampf“ ein.  Das hat zur Folge, dass zunehmend auch körperliche Probleme auftreten, wenn man nicht achtsam ist und den Körper auch während des Tages mal zur Ruhe kommen lässt. Rücken- und Nackenschmerzen, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, Herzprobleme, Schlaganfälle oder Burn-Out können die Folge sein.

Betrachte doch einmal deinen eigenen Alltag ganz kritisch und überlege, ob das ein oder andere Problem, egal ob körperlicher oder seelischer Natur, nicht vielleicht damit gelöst werden könnte, dass du deinem Körper ab und an eine Ruhe- und Entspannungsphase gönnst.

Es genügen schon wenige Minuten, wenn es mal knapp ist im Terminkalender. Aber wenige Minuten effektiv genutzt, können wahre Wunder bewirken und das wichtige Gleichgewicht des Nervensystems wiederherstellen.

Probiere aus, ob du dich besser in Bewegung oder in Ruhe entspannen kannst und lege dir Strategien zurecht, wie du auch im Alltag eine Entspannung erreichen kannst. Und scheue dich nicht davor, dir die Zeit für diese Übungen zu nehmen. Für Außenstehende mögen die Übungen erstmal befremdlich wirken, was uns vielleicht manchmal davon abhält sie durchzuführen. Denke zum Beispiel an unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre typische Geste, die „Merkel-Raute“. Oftmals belächelt ist diese Geste ein Ankerpunkt für sie, den sie nutzt um ihre Ruhe zu bewahren und mit Stresssituationen gut umgehen zu können. Solche kleinen Übungen und Strategien kann sich jeder zurechtlegen und damit dem Stress die Stirn bieten.

Denke stets daran: Es gibt kein höheres Gut als deine Gesundheit. Nimm diese nicht als geschenkt hin, sondern arbeite dafür und pflege deinen Körper und deine Seele!